Interessanter Ort
Schweizer Alpen Jungfrau-Aletsch

Grenzmarchen

Einem schon früh entbrannten Rechtsstreit zwischen den Gemeinden Ried-Mörel, Mörel und Bitsch einerseits sowie den Gemeinden Naters und Rischinen andererseits ist es zu verdanken, dass wir Kenntnis von der Ausdehnung des Grossen Aletschgletschers um die Mitte des 18. Jahrhunderts haben. Zwischen den genannten Gemeinden herrschte Uneinigkeit über die Besitzverhältnisse am Westabhang des Riederhorns. Zankapfel war der genaue Grenzverlauf zwischen den Gemeindegütern. Eine erste Gerichtsverhandlung im Jahr 1684 konnte den Streit nur vorübergehend schlichten. Die Gemeinden sahen sich gezwungen, siebzig Jahre später einen neuen Prozess anzustrengen, der von 1754 bis 1755 dauerte. Auch hier gelangte das Gericht zu einem nicht zur allgemeinen Zufriedenheit ausfallenden Urteil. In den Jahren 1855 bis 1856 wurde das hohe Gericht nämlich ein drittes Mal bemüht, um in derselben Angelegenheit einen klärenden Entscheid zu fällen. 

Zu den Prozessakten von 1754/55 gehört ein Plan, der von den Natischern als optische Grundlage angefertigt wurde. Der hier abgebildete Plan ist eine getreue Kopie dieses Planes und entstand 1855/56 für die Gemeinden Ried-Mörel, Mörel und Bitsch, als erneut prozessiert wurde. Ganz links hat der Zeichner gerade noch das Zungenende des Grossen Aletschgletschers («Alez Gletscher») miteinbezogen. Da die topographischen Verhältnisse erstaunlich gut dargestellt sind, lässt sich die Lage der Gletscherzunge um die Mitte des 18. Jahrhunderts relativ genau abschätzen: Der Grosse Aletschgletscher war damals 900 bis 1000 Meter kürzer als während des Hochstandes um 1859/60. Die Marchen, die den Grenzverlauf zwischen den Gemeinden festhalten und 1755/56 in den Fels gehauen wurden, sind ebenfalls eingezeichnet. Am Weg von der Riederfurka nach Blatten findet man zwei dieser Marchen.